![Brief Nr. 1, Marianne von Werefkin an Willy Fries, 23.8.1921 [Poststempel]. Ausschnitt. © Stiftung Righini-Fries Zürich Brief Nr. 1, Marianne von Werefkin an Willy Fries, 23.8.1921 [Poststempel]. Ausschnitt. © Stiftung Righini-Fries Zürich](https://www.righini-fries.ch/wp-content/uploads/2022/07/Brief-Nr.-1-Werefkin-an-Fries_23.08.1921_2.jpg)

Eindrücklich beschreibt Marianne von Werefkin in einem Brief an Willy Fries, wie die grosse Dürre im Sommer 1921 die Landschaft veränderte. Es ist das Auge der Malerin, das hier spricht:
«Wir hatten starke Hitze […]. Alle stöhnten, […] denn die Campagna drohte zu vertrocknen, die ganze Gegend sah wie im Fieber aus, ganz krank und verändert. In der Glut des sommerlichen Himmels lagen Herbstberge – rot, orange, gelb und braun, nackte Zweige streiften alles schwarz, dicht lagen trockene Blätter auf den Wegen. Da erlaubte der Papst eine Prozession mit der Heiligen Sabina, Asconas Heiligen. […] Die Frauen knieten, die Sonne loderte, ein Glutschleier lag über allem. […] Nachts kam ein Gewitter, und Regen in Hülle und Fülle. ‹La brava Santa›, sagten die Asconeser.»
Schon diese kurze Briefpassage zeigt, wie sehr Werefkin ein Augenmensch war und die Welt in Farben wahrnahm. Es gelingt ihr mit Worten ganze Bilder zu evozieren. Wenig erstaunlich, dass sie ihre Beobachtungen in farbige, expressive Bilder zu übersetzen wusste. In ihrem Bild «Via Crucis», das vermutlich vom Erlebnis der im Brief beschriebenen Prozession inspiriert wurde, zwängt sie die schwarz gekleideten Nonnen zwischen hochaufragende, bedrohlich wirkende Felsen. Im Hintergrund leuchten die Berge gelb, rot und blau. Ein Zeichen der Hoffnung am Ende des Leidenswegs?
Die Briefe von Marianne von Werefkin an Willy Fries sind vollständig abgedruckt im Katalog zur Ausstellung, die aktuell in Ascona und ab 27. August im Atelier Righini Fries gezeigt wird.