
Vor 60 Jahren, am 2. November 1961, fand am Schauspielhaus Zürich die Uraufführung von Max Frischs Drama «Andorra» statt. Der Andrang und das Interesse von Publikum und Kritik waren enorm.
Andri: «Seit ich höre, hat man mir gesagt, ich sei anders, und ich habe geachtet darauf, ob’s so ist, wie sie sagen. Und es ist so Hochwürden, ich bin anders.»
Wie wird ein Mensch zum Aussenseiter? Die Geschichte des jungen Andri, den die Einheimischen in dem fiktiven Kleinstaat Andorra für einen Juden halten, wurde zum bekanntesten Modell für das Dilemma von Identität und Anpassung. Max Frisch traf mit seiner Parabel über Antisemitismus, die Macht der Vorurteile und die Suche nach Identität einen Nerv der Zeit. In Jerusalem ging der Prozess gegen Adolf Eichmann zu Ende. Die Rolle der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs wurde kritisch hinterfragt. Max Frisch verhandelte in seinem Stück die grossen Themen des kollektiven Handelns, der Schuld der Mitläufer und der persönlichen Verantwortung.
Hanny Fries war in ihrer Funktion als Theaterzeichnerin bei den Proben dabei und dokumentierte die Aufführung mit dem Zeichenstift. Hier zu sehen ein Blatt aus dem Skizzenbuch mit Peter Brogle als Andri und Kurt Beck als Peider. Dem jungen Brogle gelang mit der Rolle des Andri der Durchbruch. «Peter Brogle kommt der Rolle bestürzend nahe. Er hat dieses Ineinander von kindlicher Heiterkeit und uralter Leidensfähigkeit, von Zutraulichkeit und Scheu, von Angst und verzweifeltem Mut. Er erschüttert. Er steht in der Mitte dieses Werks, das eine Mitte hat, obwohl es an allen Enden die Uneigentlichkeit alles Menschlichen aufdeckt», urteilte «Die Tat» begeistert. Im Jahr nach seiner Uraufführung wurde «Andorra» an 48 deutschsprachigen Bühnen aufgeführt.
Max Frisch: Andorra. Schauspielhaus Zürich, UA: 2.11.1961, Regie: Kurt Hirschfeld, Bühne: Teo Otto.