
Die Bezeichnung Silhouette geht auf den einstigen französischen Finanzminister Étienne de Silhouette (1709-1767) zurück.
Um Kosten zu sparen, soll er sein Schloss an der Marne mit Scherenschnitten anstatt mit Ölgemälden dekoriert haben. Scherenschnitte galten als Kunst der armen Leute, während Gemälde teuer und aufwendig waren. Wer es dem Finanzminister nachmachte, der machte es à la Silhouette. Der Begriff wurde zunächst allgemein für preiswerte Kunst angewendet, übertrug sich mit der Zeit auf Hell-Dunkel-Konturen als künstlerisches Mittel. Von Frankreich aus verbreitete sich die Silhouettenkunst rasch in ganz Europa. Zu ihrem Erfolg trug nicht zuletzt der Zürcher Pfarrer Johann Casper Lavater (1741-1801) bei. Er war überzeugt, dass von der einfachen Umrisslinie des Gesichts auf den Charakter des Menschen geschlossen werden könne. Auch Goethe konnte Lavaters Theorie, zumindest anfangs, einiges abgewinnen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wuchs daher die Begeisterung für Scherenschnitte und erfasste vor allem intellektuelle Kreise. Es entstanden umfangreiche Sammlungen von Schattenrissen und bedeutende Silhouetteure wie Johann Wilhelm Wendt (1747-1815) wurden zu gefragten Künstlern ihrer Zeit.
An der Langen Nacht der Zürcher Museen am 4. September 2021 präsentierte Jolanda Brändle im Atelier Righini Fries ihre Scherenschnittkunst. Mit beeindruckender Präzision und Schnelligkeit schnitt sie die Silhouetten zahlreicher Besucher:innen, die ihr Modell sassen. Auch die Kuratorin liess sich ihr Profil schneiden. Was Lavater wohl daraus abgeleitet hätte?